Schicksalsschläge für den Grimmaer Bürgermeister Lobeck im Ersten Weltkrieg

Der am 11. Februar 1848 in Calbitz bei Oschatz geborene Max Ferdinand Lobeck war seit Januar 1888 Bürgermeister der Stadt Grimma. Die ersten 25 Jahre seiner langen Amtszeit waren geprägt von Ausdehnung der Stadtgrenzen, Bevölkerungswachstum und zunehmender Industrialisierung. So stieg beispielsweise die Zahl der Einwohner seit seinem Amtsantritt um ca. 4.000 auf etwa 12.000 im Jahr 1914. Die rasante Entwicklung der Stadt machte auch umfangreiche öffentliche Bauvorhaben notwendig. So wurden bis zum 1. Weltkrieg Schulen gebaut und erweitert, die neue Hochdruckwasserleitung und der Schlachthof gebaut und Grimma an das Stromnetz angeschlossen. Auch die Husaren verließen in dieser Zeit ihre Bürgerquartiere und zogen in Etappen in die zwischen 1893 und 1915 gebauten Kasernengebäude am Rande der Stadt.

Mit dem Kriegsbeginn 1914 brach auch für den Bürgermeister in der Amtsführung wie auch persönlich eine schwere Zeit an.
In der ersten Kriegshälfte galt es vor allem, Mittel für die zunehmend auf Unterstützung angewiesene Bevölkerung zu beschaffen. So beschloß der Stadtrat Hilfen für Frauen, Kinder und Angehörige der zum Kriegsdienst Einberufenen, da der Sold für eine ausreichende Versorgung der Familien nicht ausreichte. Auch Arbeiter, d.h. vor allem Arbeiterinnen, die zu Kriegsbeginn entlassen wurden, waren auf Unterstützung angewiesen. Schon am 18. August beschloss der Stadtrat ein Kriegsdarlehen von 200000 Mark aufzunehmen. Für Angehörige der Soldaten richtete der Stadtrat im Wartesaal der (alten) Sparkasse eine Schreibstube zur Belehrung und Hilfe bei Feldpostsendungen ein. Der steigende Lebensmittel- und Rohstoffmangel stellte bis Kriegsende die größte Herausforderung für die Stadtverwaltung dar. So wurden neben Kirchenglocken am 26. Juni 1917 auch die drei Rathausglocken abgenommen.
Das Ende seiner Amtszeit war geprägt vom Zusammenbruch des Kaiserreiches und der Revolution. Am 12. November kam es auf dem Marktplatz zu einer großen Friedenskundgebung und der neu geschaffene Arbeiter- und Soldatenrat verlangte eine Loyalitätserklärung der städtischen Beamten. Selbst der erzkonservative Bürgermeister wurde nach deren Unterzeichnung im Amt belassen. Lobeck übte das Bürgermeisteramt noch bis zur Amtseinführung des neuen Bürgermeisters Max Schmidt am 1. Oktober 1919 aus. In seiner Abschiedsrede bedankt sich Lobeck ausdrücklich auch bei der „linken Seite“, welche ihm die Amtsführung nach der Revolution leicht gemacht habe.

Der Erste Weltkrieg brachte auch persönliche Schicksalsschläge für den Bürgermeister. Sein ältester Sohn Max Johann Georg (gen. Hans; *1881 – 8.12.1914) war bei Kriegsausbruch Deckoffizier auf dem Panzerkreuzer „Scharnhorst“. Der Kreuzer war Flaggschiff des Ostasiengeschwaders, welches bei Kriegsbeginn von Tsingtau nach Samoa unterwegs war. Auf dem Weg in heimatliche Gewässer konnte das Geschwader am 1. November bei Coronel (vor Chile) zwei englische Kreuzer versenken. Die Engländer regierten jedoch schnell auf diese Niederlage und konnten das Geschwader schon am 8. Dezember vor den Falklandinsel stellen. Bei dem Seegefecht wurden alle deutschen Schiffe, außer der „Dresden“, versenkt und mehr als 2000 Seeleute fanden den Tod, darunter die gesamte Besatzung der „Scharnhorst“. Die Propaganda versuchte die Toten zu heroisieren, indem sie den gesamten Mannschaften posthum im März 1915 das Eiserne Kreuz für die Schlacht bei Coronel verlieh.

Auch sein zweiter und letzter Sohn Moritz Wilhelm (* 19.5.1888 – 15.7.1916) sollte den Krieg nicht überleben. Nachdem er die hiesige Fürstenschule abschloss, studierte er an den Universitäten von Paris, Besançon, München, Cambridge und Leipzig neuere Sprachen. Am 3. August 1914 bestand er die Prüfung zum höheren Schulamt, trat aber schon am nächsten Tag als Offiziersstellvertreter in das Infanterieregiment 182 (Freiberg) ein. Mitte September kam er an die Westfront bei Lille. Am 25. September 1915 wurde er während eines Gefechts bei Souchez durch Granatsplitter an Kopf und Oberarm verwundet. Nach seiner Genesung diente er ab Anfang 1916 als Kompanieführer wieder an der Westfront. Am 15. Juli 1916 wurde er infolge feindlichen Artilleriefeuers im Graben verschüttet. Seine Leiche konnte nicht geborgen werden. Er wurde mit dem Ritterkreuz vom Albrechts-Orden 2. Klasse mit Schwertern und dem Eisernen Kreuz 2. Kl. ausgezeichnet.

Lobeck wurde, wie alle Stadträte, in der zweiten Kriegshälfte auch persönlich angegriffen. Die Bevölkerung fühlte sich von der Obrigkeit zunehmend im Stich gelassen und es hagelte dabei auch persönliche Anfeindungen. So sahen sich im Sommer 1917 Bürgermeister und Stadträte beispielsweise gezwungen, die von ihnen geleisteten Spenden offenzulegen. Lobeck zahlte seit Kriegsbeginn monatlich 50 Mark an die Kriegsnotspende. Aufgrund der Vorwürfe, dass die Stadtväter die einheimische Bevölkerung nicht genug unterstützen würden, zahlte er die Beträge ab August 1917 an die Kriegspatenschaft „Heimatdank Grimma-Stadt“, welche die hiesigen Bürger unterstützte.

Insgesamt wird deutlich, dass er ernsthaft versuchte, die Stadt, so gut es eben ging, durch die Kriegszeit zu führen. Er erhielt hierfür schon während des Krieges, durch die Verleihung des Kriegsverdienstkreuzes 1916, aber vor allem nach Kriegsende die verdiente Anerkennung. So wurde er bei seinem Abschied aus dem Amt am 28. September 1919 zum Ehrenbürger der Stadt Grimma ernannt und die Terrassenstraße (Straße des Friedens) nach ihm umbenannt. Gerade das Ende seiner Amtszeit zeigt das hohe Ansehen, welches er in breiten Schichten der Bevölkerung hatte. Die Ehrungen, die er als bekennender Konservativer, auch mit Unterstützung der Linken erhielt, sind im Jahre 1919 durchaus nicht selbstverständlich.

Peter Fricke, 2016