Der Flugtag von 1926 in Grimma

Nach dem 1. Weltkrieg entwickelte sich der Motorflug immer rasanter und fand langsam eine weite Verbreitung. Da Deutschland laut den Versailler Verträgen keine Luftwaffe besitzen durfte, blieb einzig die zivile Luftfahrt, welche aber verdeckt auch vom Militär genutzt wurde. Um den Luftfahrtgedanken nicht einschlafen zu lassen und genügend Personal heranziehen zu können, fanden in den 20er und 30er Jahren Flugtage statt, bei denen die Bevölkerung die deutschen Errungenschaften in Sachen Luftfahrt bestaunen konnte und Gelegenheit hatte, selbst einmal einen Flug zu unternehmen.
Am Sonntag, dem 3. Oktober 1926, fand in Grimma ein solcher Flugtag statt. Zu diesem Zweck wurde ein provisorisches Flugfeld an der Straße zwischen Beiersdorf und Grimma angelegt.
Veranstalter war die Aero-Expreß Luftbetriebs-Gesellschaft m.b.H. und die Sächsische Fliegerschule Leipzig, welche mit drei Flugzeugen vertreten waren.
Nachdem bereits am Samstag ein Flugzeug in der näheren Umgebung Werbezettel abgeworfen hatte, trafen am späten Sonntag Vormittag die drei Flugzeuge aus Leipzig ein, welche von dem Geschäftsführer der Aero-Expreß, Dr. Guhlmann, und seinen Chefpiloten, Hempel und Schröter, gesteuert wurden. Geflogen wurde mit zwei Dietrich-Flugzeugen und einer Aero-Sport S1.
Gegen 13 Uhr zog es etwa 8.000 bis 10.000 Grimmaer auf den Flugplatz, wobei hier nur diejenigen berücksichtigt wurden, die den Eintritt von 50 Pfennigen bis zu zwei Mark bezahlt hatten. Um den Besuchern den Weg zu erleichtern, wurde vom Markt zum Flugfeld kurzerhand eine Buslinie eingerichtet.
Die eigentliche Veranstaltung begann 14.30 Uhr mit einem Begrüßungsflug und Kunstflügen. Gezeigt wurden Loopings, Rollen, Schleifen, Sturzflüge, Trudeln und Formationsflüge.
Als Nächstes fand das sogenannte Ballonrammen statt. Hierfür wurden kleine Ballone in die Luft abgelassen, welche von den Flugzeugen gerammt werden mussten. Danach folgten Rundflüge, bei denen von den Flugzeugen verschiedene Werbeartikel abgeworfen wurden. So spendeten die bekannten Leipziger Cafés Felsche und Richter Proben ihrer süßen Waren (Schokolade). Auch eine Grimmaer Firma beteiligte sich an dieser Aktion. Die Seifenfabrik Held & Giesecke ließ kleine Seifenstücke (Waschseife) abwerfen, eine Aktion, die dem im Ersten Weltkrieg gefallenen ehemaligen Eigentümer Kurt Held sicher gefreut hätte, da er selbst begeisterter Aeronautiker war. Allerdings hat sich diese Werbemaßnahme für die Firma nicht ausgezahlt, da sie wenig später während der Weltwirtschaftskrise endgültig Konkurs ging.
Der nächste Programmpunkt war ein simulierter Luftkampf, neben dem auch Rundflüge veranstaltet wurden. Diese dauerten etwa 15 Minuten und führten vom Flugplatz über Hohnstädt hinweg nach Dorna und Döben, wo man wendete und über die Stadt Grimma zu dem Flugfeld zurückflog. Gegen einen Betrag von 15 Mark konnte theoretisch jeder mitfliegen, aber dieser Preis entsprach in etwa einem halben Wochenlohn eines hiesigen Arbeiters und so fanden sich nur drei oder vier zahlende Passagiere. Zusätzlich zu diesen gab es noch fünf Gewinner einer Freikarte, welche den Flug antraten.
Zum Schluss der Veranstaltung flog der Geschäftsführer der Aero-Expreß im Tiefflug über die Menge und die Fallschirmspringerin Lola Voréscou führte aus etwa 500 Metern Höhe einen Sprung aus. Hinter dem Künstlernamen verbarg sich die in München geborene Anna Katherina Knoll (1906-1953), die später den oben genannten Schröter heiratete und in den Zwischenkriegsjahren eine bekannte Fallschirmspringerin, Motor- und Segelfliegerin war. Sie trat häufig mit dem berühmten ehemaligen Jagdflieger Ernst Udet auf und errang beispielsweise 1931 und 1932 Weltrekorde im Fallschirmspringen (Frauen).
Damit endete ein für Grimma bis dato einmaliges Ereignis. Zwar hatten die Grimmaer schon vor dem Ersten Weltkrieg, im Rahmen von Manövern, Flugzeuge zu Gesicht bekommen, aber der mittlerweile in der Luftfahrt gemachte Fortschritt war ebenso immens wie die Fülle an Gezeigtem. Es sollte auch nicht die letzte Veranstaltung dieser Art sein, schon zwei Jahre später gab es wieder eine Flugshow mit ähnlichem Programm in Grimma. Überschattet wurde die Veranstaltung noch von einem Autounfall. An der Kreuzung beim heutigen Steingarten wurde ein Fabrikarbeiter von dem Shuttle-Bus angefahren und verstarb am darauffolgenden Tag. Leider scheint es von den Flugtagen in Grimma keine Bilder mehr zu geben, falls doch, wäre der Autor für Hinweise dankbar.

Peter Fricke, 2016